Problemorientiertes Lernen
Mehr Praxisbezug für Ihre Weiterbildungsmaßnahmen
Für Lernende ist es schwer, neu erworbenes Wissen direkt in die Praxis umzusetzen. Vor allem, wenn sie ausschließlich digital lernen. Aus- und Weiterbildungsverantwortliche in Unternehmen sind stets bestrebt, die Lernergebnisse ihrer Teilnehmer zu verbessern. Problemorientiertes Lernen (POL) ist ein vielversprechender Weg, dies zu erreichen. Es ist die perfekte Ergänzung zu modernen E‑Learning-Methoden, da die Lernenden anhand von realen Szenarien lernen, anstatt theoretisches Wissen auswendig zu lernen. In diesem Artikel erklären wir, was problemorientiertes Lernen ist, und zeigen Ihnen Schritt für Schritt, wie Sie es in Ihr E‑Learning-Programm integrieren.
Problemorientiertes Lernen – eine Einführung
Es wurde oft beobachtet, dass Kursteilnehmer Schwierigkeiten haben, ihr theoretisches Wissen in realen Situationen anzuwenden. Problemorientiertes Lernen wurde entwickelt, um genau dieses Problem zu lösen. POL ist eine seit den 1960er Jahren angewandte, lernerzentrierte Methode, bei der die Teilnehmenden offene Probleme lösen, bei denen es nicht immer eine eindeutige richtige oder falsche Antwort gibt.
Die Bedeutung von POL beim E‑Learning
E-Learning, insbesondere asynchrones E‑Learning, ist in der Regel eine eher passive Lernerfahrung. Im Gegensatz dazu ermöglicht POL den Lernenden, ihre Lernreise selbst zu steuern. Es bringt Abwechslung in ein E‑Learning-Programm und fördert die aktive Nutzung von "Soft Skills" wie kritisches Denken, Problemlösung und Zusammenarbeit.
Zielgruppen und ihre Bedürfnisse beim problemorientierten Lernen
Mitarbeitende, die mit komplexen Aufgaben konfrontiert sind, sind ideale Kandidaten für problemorientiertes Lernen. Das Verfahren wurde ursprünglich für den Einsatz im medizinischen Bereich entwickelt und gewinnt nun auch in den Bereichen Recht, Wirtschaft und Unternehmen an Bedeutung. Problemorientiertes Lernen hilft den Mitarbeitenden, ihr Wissen zu vertiefen und gleichzeitig neue Denk- und Lernweisen zu entdecken, die für ihre spezifischen Aufgabenbereiche wichtig sind. Diese Denk- und Lernweisen können dann auf reale Problemstellungen im Arbeitsalltag übertragen werden.
Grundlagen des problemorientierten Lernens
Im Gegensatz zu klassischen Ausbildungsmodellen, bei denen die Lernenden zunächst etwas über ein Thema lernen und dieses Wissen dann zur Lösung eines Problems anwenden, beginnt problemorientiertes Lernen mit dem zu lösenden Problem. Die Lernenden erwerben neues Wissen durch den Problemlösungsprozess. Ein POL-Ansatz ist sowohl für kurzfristige als auch für längerfristige Projekte geeignet. Das Lernen kann also in einem eintägigen Workshop oder über mehrere Wochen oder Monate hinweg stattfinden, abhängig von den Lernzielen.
POL basiert auf drei Grundprinzipien:
- Es konzentriert sich auf die Lösung komplexer, offener Probleme ohne klar definierte Lösungen.
- Es ist eine selbstgesteuerte Lernmethode, bei der die Teilnehmenden in kleinen Gruppen zusammenarbeiten.
- Die Lernenden werden während des gesamten Prozesses von einem Schulungsleiter unterstützt.
Während der Bearbeitung des Problem-Szenarios durchlaufen die Lernenden in der Regel sieben Schritte oder "Sprünge":
- Sie definieren die Begrifflichkeiten und stellen sicher, dass jeder das Szenario verstanden hat.
- Sie identifizieren das Problem und die Fragen, die beantwortet werden müssen
- Sie analysieren das Problem anhand des vorhandenen Wissens und ermitteln mögliche Lösungen.
- Sie organisieren sie in Schritt drei gefundenen Lösungen
- Sie formulieren Lernziele für die Fragen, die noch beantwortet werden müssen
- Sie eignen sich selbstständig das nötige Wissen an, z. B. mithilfe von Büchern, dem Internet, Fachpublikationen usw.
- Sie tauschen Informationen innerhalb der Lerngruppe aus
Durch strukturierte Recherchen und Gruppendiskussionen lernen die Teilnehmenden nicht nur in Eigenregie, sondern verbessern auch ihre Fähigkeiten zum kritischen Denken und zur Entscheidungsfindung. Da sie aktiv an der Lösung eines Problems arbeiten, ist die intrinsische Motivation, sich die relevanten Informationen und deren Zusammenhang mit dem Problem anzueignen, viel größer als im klassischen Frontalunterricht. POL entwickelt sich zu einer Möglichkeit, Lernende zu motivieren und eine ganzheitlichere Lernerfahrung zu schaffen, bei der nicht nur Wissen, sondern auch praktische Fähigkeiten erworben werden.
Problemorientiertes Lernen im E‑Learning: Die Herausforderungen
Problemorientiertes Lernen bietet zwar viele Vorteile, kann aber auch eine Herausforderung darstellen. Der Ansatz unterscheidet sich stark vom traditionellen Frontalunterricht, und sowohl Kursleiter als auch Teilnehmende müssen sich an eine neue Arbeitsweise gewöhnen.
Im Folgenden werden einige der üblichen Herausforderungen bei der Umsetzung eines problemorientierten Lernansatzes in einem E‑Learning-Kontext erläutert:
Effektive Zusammenarbeit
Die Zusammenarbeit ist ein wesentlicher Bestandteil des Lernprozesses bei POL. Die Teilnehmenden lernen nicht effektiv, solange sie nicht problemlos miteinander kommunizieren können. Für optimale Ergebnisse sollten E‑Learning-Plattformen Funktionen enthalten, die soziales Lernen unterstützen, z. B. Videokonferenzen oder Gruppenchats.
Anpassung an einen neuen Lernstil
Manche Teilnehmenden sind von einem offenen Lernformat frustriert. Sie sind überfordert, oder es ist ihnen nicht klar, wie "Erfolg" bei dieser Art des Lernens aussieht. Geben Sie zu Beginn des Kurses klare Anweisungen, um dies zu vermeiden. Erklären Sie die Lernaufgabe, ebenso wie die Herangehensweise an die Aufgabe und die Art und Weise, wie der Lernerfolg evaluiert wird.
Standardisierte Bewertung
Im Gegensatz zu klassischen Lernansätzen gibt es bei POL keine klar definierten Richtig-oder-Falsch-Antworten, die mithilfe eines Antwortschlüssels bewertet werden können. Stattdessen müssen die Lernenden ihr erworbenes Wissen auf andere Weise unter Beweis stellen. Eine Möglichkeit ist eine Präsentation, in der die Lernenden ihre Problemlösungsmethode, ihre Schwierigkeiten während des Prozesses und ihre Vorschläge zur Lösung des Problems dokumentieren. Der Lernerfolg wird dann auf der Grundlage der Präsentation und der von ihnen gefundenen Lösungen bewertet.
Wie Technologie helfen kann, diese Herausforderungen zu bewältigen
Viele E‑Learning-Plattformen bieten Funktionen, die die kollaborative Zusammenarbeit einfacher machen als je zuvor. Die Lernenden können nicht nur miteinander chatten oder Videokonferenzen abhalten – sie können sogar gemeinsam an Dokumenten arbeiten oder zentral Daten organisieren.
E-Learning-Umgebungen helfen den Lernenden, mit dem neuen Lernformat zurechtzukommen. Bieten Sie beispielsweise einen POL-E-Learning-Kurs mit Checklisten oder regelmäßige Überprüfungen an, damit die Teilnehmenden mehr Struktur haben und während des Kurses motiviert bleiben. Oder ziehen Sie in Erwägung, maßgeschneiderte Lernpfade anzubieten, die kurze Kurse zu den erforderlichen Soft Skills enthalten, bevor der POL-Kurs beginnt. Das hilft den Teilnehmenden dabei, das Beste aus ihrer problemorientierten Lernerfahrung herauszuholen.
Schließlich könnte E‑Learning-Software den Ausbildern die Bewertung des offenen Lernens, das beim POL stattfindet, erleichtern. Hierfür gibt es verschiedene Möglichkeiten: Lassen Sie die Teilnehmenden Tests in Form von offenen Fragen ablegen, die von den Kursleitenden innerhalb der Lernplattform leicht korrigiert und bewertet werden. Verwenden Sie standardisierte Tests (Ja/Nein/Multiple-Choice) über den POL-Prozess selbst, um sicherzustellen, dass die Lernenden die Aufgabe verstehen. Und wenn sie eine Abschlusspräsentation digital einreichen, können die Lernenden Multimedia-Präsentationen mit Videos oder Websites erstellen, die sie während ihrer eigenen Recherche verwendet haben.
Dies sind nur einige der Möglichkeiten, die eine gutes Learningmanagementsystem (LMS) im Rahmen des problemorientierten Lernens bietet. Die Möglichkeiten sind schier grenzenlos!
Integration von POL in E‑Learning-Umgebungen
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, problemorientiertes Lernen und E‑Learning miteinander zu verbinden. Richten Sie zum Beispiel ein Modul in Ihrem LMS ein, das ein problemorientiertes Lernszenario enthält.
In einem LMS könnten Sie:
- ein Einführungsvideo einfügen, in dem der POL-Ansatz erklärt wird und was von den Studierenden erwartet wird
- relevante Materialien hochladen, die die Schüler für ihre Recherchen und das Lernen verwenden können,
- beliebige Checklisten, Quizfragen oder Check-ins hinzufügen.
Lassen Sie die Lernenden während der Bearbeitung des Szenarios per Chat, gemeinsamen Dokumenten oder sogar per Videokonferenz miteinander kommunizieren. Schließlich kann jede Gruppe ihre Abschlusspräsentation gemeinsam erarbeiten und sie dann für die anderen Gruppen und den Ausbilder hochladen. Um den Lernerfolg noch zu steigern, können sich die Gruppen gegenseitig Feedback zu ihrer Präsentation und den erzielten Ergebnissen geben und diese mit ihren eigenen Ergebnissen vergleichen.
Beziehen Sie auch szenariobasiertes Lernen wie den Knowledgeworker Coach mit ein. Eine Möglichkeit ist, mit einem Szenario zu beginnen, das die Lernenden durch einen Dialog führt und ihnen schließlich ein offenes Problem vorlegt, das sie selbständig untersuchen sollen. Alternativ können Sie den Studierenden Wissen mithilfe von problemorientiertem Lernen beibringen und sie dann die Anwendung in einer szenariobasierten Lernsituation üben lassen.
Praktisches Beispiel für problemorientiertes Lernen in der beruflichen Weiterbildung
Stellen Sie sich folgendes vor: Sie weisen Ihren Teilnehmenden einen individuellen Lernpfad zu. Sie sehen sich zunächst ein Einführungsvideo an, in dem erklärt wird, was problemorientiertes Lernen ist und wie sie das POL-Szenario angehen sollen. Im Anschluss an das Video absolvieren sie ein kurzes Quiz, um ihr Verständnis zu bestätigen. Dann werden die Lernenden in verschiedene Gruppen eingeteilt und erhalten ein Szenario, das sie durchlesen sollen. Es könnte etwa so aussehen:
Jonathan ist der Verkaufsleiter eines Unternehmens, das Batterien für Elektrofahrzeuge herstellt. In den letzten Monaten sind die Verkaufszahlen zurückgegangen, obwohl die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen steigt. Er und sein Team besprechen das Problem in einer Teamsitzung:
"Ich glaube, der Umsatzrückgang begann im letzten Jahr, als einer unserer Großkunden sein Geschäft aufgegeben hat und seither nicht mehr bei uns kauft. Das erklärt aber nur einen Teil des Problems. Hätte sich unser Wachstum im gleichen Tempo wie im letzten Jahr fortgesetzt, hätten sich unsere Umsätze inzwischen erholt. Vielleicht verlieren wir Aufträge an einen neuen Konkurrenten?"
Sarah, eines der Mitglieder des Verkaufsteams, meldet sich zu Wort. "Wir haben letztes Jahr auch die Website für unseren B2B-Katalog neu gestaltet. Vielleicht hat das ein Problem verursacht, das wir noch nicht bemerkt haben?"
Emil stimmt zu: "Ich denke, wir sollten uns ansehen, wie jeder unserer Hauptvertriebskanäle im Vergleich zum letzten Jahr abschneidet, um herauszufinden, wo genau es zu einer Verlangsamung kommt. Wir sollten auch mit dem Marketingteam sprechen, um zu sehen, ob sie etwas an ihren Zahlen bemerkt haben."
Jonathan: "Ja, das ist eine gute Idee. Welche anderen Möglichkeiten könnten wir noch untersuchen, um der Sache auf den Grund zu gehen?"
Nachdem die Teilnehmenden das Szenario durchgelesen haben, beginnen sie mit der Bearbeitung der 7 "Sprünge". Sie können auf die Dokumente und Informationen zugreifen, die ihnen im LMS zur Verfügung gestellt werden, und auch selbständig recherchieren, um mehr über das Problem zu erfahren. Nach zwei oder mehr Runden, in denen sie recherchiert und die Ergebnisse miteinander besprochen haben, kann die Gruppe eine Multimedia-Präsentation vorbereiten und ihre Ergebnisse dem Dozenten und den anderen Teilnehmenden vorstellen.
Fazit.
Problemorientiertes Lernen kann eine wunderbare Ergänzung für das E‑Learning in Ihrem Unternehmen sein. Es steigert die Motivation der Lernenden und fördert gleichzeitig die Zusammenarbeit, das kritische Denken und andere Soft Skills. Die zahlreichen Funktionen für die Zusammenarbeit, die ein modernes LMS bietet, machen es den Studierenden leichter denn je, ihre Ergebnisse miteinander zu diskutieren – Sie können sogar Gruppen bilden, die über mehrere Standorte verteilt sind. Kombinieren Sie POL mit anderen Lernformen, um Ihre Personalentwicklung aufzuwerten und Ihren Lernenden zu helfen, Fähigkeiten zu erwerben, die sie im Arbeitsalltag anwenden können.
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